“Hoda eh wieda Wossa”

Bachelorarbeit von Florian Sulzer

Weiterführende Informationen und Quellen

Kurzbeschreibung

Der Neusiedler See und die Region Seewinkel befinden sich im Burgenland, dem östlichsten und bevölkerungsärmsten Bundesland Österreichs, das aufgrund des pannonischen Klimas zu den sonnenreichsten Regionen Österreichs zählt. Die Menschen um den Neusiedler See erfreuen sich an ungefähr 1900 Sonnenstunden im Jahr und die am nördlichen Ufer gelegene Stadt Neusiedl am See verzeichnet durchschnittlich 66 heiße Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius (Janisch et al. 2023: 12).

Die Auswirkungen niederschlagsarmer und heißer Jahre werden besonders in dieser Region jedoch immer deutlicher spürbar. Die Salzlacken im ohnehin trockenen Seewinkel leiden unter einem niedrigen Grundwasserspiegel, der durch klimabedingte Extreme und intensiv bewässerte Kulturen in der Landwirtschaft zusätzlich verschärft wird (vgl. Hanger-Kopp 2022).

Der Neusiedler See, Österreichs größte Seefläche, registrierte im Oktober 2022 mit einem Durchschnitt von 114,87 den niedrigsten Wasserstand seit Aufzeichnungsbeginn (vgl. Hydrographischer Dienst Burgenland o. D.) Dieser Steppensee(1) droht nach 150 Jahren wieder komplett auszutrocknen.

Eine künstliche Zuleitung soll den Wasserstand des Sees stabilisieren. Mögliche Folgen für das sensible Ökosystem sind unabsehbar. Das Projekt „Hoda eh wieda Wossa“(2) markiert für mich den Beginn einer Langzeitbetrachtung einer der trockensten Regionen in Österreich. Es ist eine Begegnung mit Mensch und Natur. Fernab von dystopischen Zukunftsszenarien und vereinfachten menschlichen Lösungsansätzen, werfe ich einen unaufgeregten Blick auf eine in Österreich einzigartige Landschaft. Ich versuche den Menschen zuzuhören, die in einer durch die Auswirkungen des Klimawandels geprägten Region leben und einen Ausblick auf zukünftige Herausforderungen zu geben.

(1) Steppenseen sind durch starke Wasserstandsschwankungen gekennzeichnet - von Überflutung bis Austrocknung (vgl. Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel o. D.).

(2) Im österreichischen Dialekt geschrieben und steht für „Hat er eh wieder Wasser“. Der Titel meiner Arbeit geht auf eine zufällige Wortmeldung zurück, die ich bei einem Spaziergang in Neusiedl am See vernommen habe und sich auf den Wasserstand des Neusiedler Sees bezog.

Neusiedler See

Der Neusiedler See ist mit 320 km² Österreichs größte Seefläche und wird vom zweitgrößten zusammenhängenden Schilfgürtel Europas umgrenzt (vgl. Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel o. D.). Der See speist sich großteils von Niederschlag (ca. 80 %) und oberirdischen Zuflüssen wie kleineren Kanälen und dem Fluss Wulka (ca. 20 %) (vgl. Janisch et al. 2023: 23). Der Großteil des Neusiedler Sees liegt auf österreichischer Seite (80 %) und der Rest auf ungarischem Staatsgebiet (20 %) (vgl. Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel o. D.). Der See verfügt über keinerlei natürlichen Abfluss (Endsee), was man oft in Steppenregionen findet und ist geprägt vom Wechsel zwischen Niederschlag und Verdunstung (vgl. Janisch et al. 2023: 23). Dies führt zu unterschiedlichen natürlichen Schwankungen des Wasserstands - bis hin zur völligen Austrocknung (vgl. Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel o. D.).

Seewinkel und Salzlacken

Der Seewinkel bezeichnet heute das Gebiet östlich des Neusiedler Sees. Die Region ist eine außergewöhnliche Kulturlandschaft, geprägt durch beweidete Wiesen, intensive Landwirtschaft und Weinbau. Charakteristisch für diese Region sind die rund 45 verbliebenen Salzlacken (vgl. Ebd.). Die Lacken sind salzhaltige Seen, die periodisch austrocknen und einzigartige Rast- und Brutplätze für Vogelarten darstellen (vgl. Ebd.). Die Lacken werden wie der Neusiedler See hauptsächlich von Niederschlag gespeist. Neben Zentralungarn sind Salzlacken im europäischen Binnenland nur noch im Seewinkel zu finden (vgl. Ebd.). Die Lacken benötigen hohe Grundwasserstände, um durch die Kapillarwirkung Salze nach oben zu transportieren (vgl. Ebd.). Niedrige Grundwasserstände führen zu einer Unterbrechung dieser Verbindung, was wiederum zu einer Aussüßung der Lacke und einem undichten Lackenboden führen kann, der kaum Wasser hält (vgl. Ebd.). Dies kann zu einem Sterben der Salzlacke führen.

Anthropogene Wasserlandschaft

Die scheinbare Naturidylle des Neusiedler Sees trügt. Die aktuellen Diskussionen über eine mögliche Zuleitung der Donau aus Niederösterreich reihen sich in zahllose diskutierte und durchgeführte Eingriffe der letzten zwei Jahrhunderte nahtlos ein.

„Wir haben es heute in Summe mit einer anthropogenen, stark überformten und kontrollierten Wasserlandschaft zu tun, praktisch mit Natur aus zweiter Hand. Was uns also heute am Neusiedler See als Naturidyll erscheint, ist vielfach durch - gewollte oder ungewollte - menschliche Einflüsse geprägt.“

(Janisch et al. 2023: 112).

Ab dem 19. Jahrhundert ist an Natur am Neusiedler See ohne anthropogene Einflüsse nicht mehr zu denken (vgl. Ebd.: 110). Zu unberechenbar ist die Biologie eines Steppensees, der größtenteils von Niederschlägen gespeist wird, wenn unterschiedliche Interessenkonflikte vorherrschen. Die Überlegungen im 19. Jahrhundert reichten von einer Trockenlegung des Sees bis zu einer Aufstauung, die nach einer neuerlichen Austrocknung des Sees (1865-1871) intensiviert wurden (vgl. Janisch et al. 2023: 111). Dies entspricht der Biologie eines Steppensees, könnte jedoch auch teilweise im Zusammenhang mit Entwässerungsmaßnahme im Waasen (ungarisch: Hanság), einem Gebiet südöstlich des Neusiedler Sees, das als hydrologische Pufferzone diente (vgl. Ebd.:111).

Der ausgetrocknete See wurde in Teilen für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt und war von Pflanzen überwuchert (vgl. Ebd.: 111). Dennoch führte die ausgetrocknete Seefläche auch zu Salzverwehungen und negativen Auswirkungen für das regionale Klima (vgl. Ebd.: 111).

„Im ganzen großen Gebiet herrschte regelrecht Todstille, nirgends ein Vogel, nicht einmal eine Schwalbe, nirgends ein Lebewesen zu sehen oder zu hören (…)“

(Mayrhofer 1884 zitiert nach: Békési 2007: 140).

„1884 wurden erste Stimmen laut, die sich für eine Dotierung des Neusiedler Sees in niedrigen Wasserstandsphasen aussprachen“ (Ebd.: 140). Ein bedeutender Schritt für die zukünftige Entwicklung des Wasserhaushalts war die Fertigstellung des Einser Kanals (1895-1909) mit dem Ziel, die Waasen und den 1910 angebunden Neusiedler See trockenzulegen, was durch dessen Anbindung zwar nicht zur Trockenlegung führte, jedoch immerhin zwei Drittel seines mittleren Wasserinhalts entleerte (vgl. Janisch et al. 2023: 111).

Im Jahr 1965 kam es zu einer bilateralen Schleusenregelung mit Ungarn (vgl. Ebd.: 112). Bei hohen Wasserständen oder Hochwassergefahr wurde diese geöffnet und der Neusiedler See konnte auf einem konstanten Wasserstand gehalten werden (vgl. Ebd.: 112). Das kommt einer Zähmung des Steppensees gleich, die auch positive Auswirkungen auf die Planbarkeit im touristischen Sektor hatte (vgl. Janisch et al. 2023: 112).

Die Erfahrung zeigt, dass maßgebliche menschliche Eingriffe in natürliche Systeme (oder Systeme mit überwiegend natürlicher Dynamik) stets auch ungeplante Wirkungen entfalten, die wiederum neue Maßnahmen erforderlich machen. Beispielsweise wurde im Jahr 2014 aus Angst vor Hochwasser 40 Zentimeter des Wasserstands über den Einser-Kanal abgeleitet, die heute schmerzlich fehlen (vgl. Böhm-Ritter et al. 2023).

Die derzeit angedachte Zuleitung von Donauwasser, um den Seewinkel zu durchfeuchten und den See erneut zu stabilisieren, würde dieses Gewässer auf eine neue Stufe anthropogener Beeinflussung heben (vgl. Janisch et al. 2023: 115).

Im Jahr 2020 kam es zur Gründung der Task Force Neusiedler See, die in Abstimmung mit relevanten Interessengruppen die langfristige Absicherung des Neusiedler See ausarbeiten soll, dabei wird eine Zuleitung aus der Donau erwogen (vgl. Sziderics 2020).

Die Umwelt NGO WWF warnt eindringlich vor den Konsequenzen einer Dotation von Donauwasser (vgl. Greiner 2023). Der salzhaltige Neusiedler See würde durch das kalkhaltige Wasser der Donau weiter an Salzgehalt (momentan 1-2 Gramm pro Liter) verlieren, was zu einer Vermehrung von Algen führen könnte und die voranschreitende Verlandung des Seegebiets weiter beschleunigen würde (vgl. Ebd.). Zielführender wäre es, dass man das Wasser besser in der Region zurückhaltet (vgl. Ebd.). Beispielsweise indem man ehemalige Überschwemmungsgebiete des Neusiedler Sees wieder an den See anbindet, damit in Hochwasserphasen, Wasser für Trockenphasen als Reserve gespeichert werden kann (vgl. Ebd.).

Befürworter:innen sprechen sich für eine Zuleitung ab einem Wasserstand von 115,2 m.Ü.a. aus und erhoffen sich dadurch jährlich 35 Millionen Kubikmeter pro Jahr (vgl. Janisch et al. 2023: 33) Entgegen den Behauptungen der Umweltschützer:innen soll dies nicht zu einem Kollaps des Ökosystems führen, sondern einen kaum spürbaren Effekt auf den Chemismus des Sees haben, sowie der derzeitige Zufluss der Wulka in den Neusiedler See (vgl. Ebd.: 33).

Im Laufe meiner Recherche für die Bachelorarbeit kam die burgenländische Landesregierung aufgrund fehlender Finanzierung von der Zuleitung der Donau aus Ungarn ab und intensivierte die Idee, die Donau in Niederösterreich anzuzapfen.

Weiterführende Links

Zukunft Neusiedler See - In enger Kooperation mit dem Verein „Zukunft Neusiedler See“, gemeinsam mit Experten, Wissenschaftlern, Stakeholdern und allen Interessierten wollen wir Informationen zu Kernthemen wie Klimaerwärmung, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz verständlich aufbereiten, Zusammenhänge transparent machen und zur Diskussion einladen (eigene Beschreibung auf der Website).

Hydrographische Daten Österreich - Aktuelle Grundwasserstände in Österreich.

Wasserstand Neusiedler See und Salzlacken - aktuelle und historische Wasserstände des Neusiedler Sees und der Salzlacken.

Die Salzlacke im Seewinkel - Erhebung des ökologischen Zustandes sowie Entwicklung individueller Erhaltungskonzepte für die Salzlacken des Seewinkels (2008 -2011).

LIFE Pannonic Salt - Projekt zur Erhaltung der Salzlacken im Seewinkel.

LIFE Pannonic Salt Pressemitteilung Land Burgenland

Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel - akutelle Forschungsprojekte im Nationalpark.

Biologische Station Illmitz - Seit mehr als 70 Jahren erbringt das kompetente Expertenteam der Biologischen Station eine Vielzahl umweltrelevanter Forschungs- und Dienstleistungen im Auftrag des Landes Burgenland. Einen besonderen Schwerpunkt stellt die Mitarbeit bei grenzüberschreitenden Forschungsprojekten in der Nationalpark-Region dar. Für ökologische Langzeitforschung im Seewinkel bildet die Biologische Station eine internationale Plattform (eigene Beschreibung auf der Website).

WWF Zuleitung Neusiedler See - Der WWF zeigt mögliche Folgen einer künstlichen Zuleitung in den Neusiedler See auf.

WWF Bedrohungen und Lösungen für das Gebiet Neusiedler See - Seewinkel - Der WWF gibt einen Überblick über den derzeitigen Zustand, Bedrohungen und mögliche Lösungen für das Gebiet.

Dok 1: Neusiedl ohne See - Mockumentary des ORF über ein zukünftiges Szenario am Neusiedler See. Link zur Mockumentary.

Der Standard - Seewinkel: Austrocknen ist keine Lösung - Susanne Hanger-Kopp, Dozentin für Klimaschutz und -anpassung an der ETH Zürich, schreibt in ihrem Gastkommentar über die Trockenheit im Seewinkel und was man dagegen tun könnte.

Klima-Kodex - herausgegeben vom Netzwerk Klimajournalismus Österreich für eine angemessene Klimaberichterstattung.

Seemanagement GmbH Pressemitteilung - Schlamm- und Schilfmanagement am Neusiedler See.

Literaturempfehlungen

Sándor Békési: Verklärt und verachtet - Wahrnehmungsgeschichte einer Landschaft: Der Neusiedler See.

Christian Janisch; Alois Lang; Bibi Watzek: Das Ende des Neusiedler Sees. - Eine Region in der Klimakrise. Herausforderungen. Perspektiven. Lösungen.

Ökologischer Fußabdruck meiner Arbeit

Im Zuge meiner Recherche war ich in der ländlichen Region des Nordburgenlands auf den PKW angewiesen. Ich habe meine Autofahrten dokumentiert und fasse hiermit die zurückgelegte Gesamtstrecke und den verursachten ökologischen Fußabdruck meiner Bachelorarbeit zusammen. Bei dem PKW handelt es sich, um einen Toyota Prius 1,8 VVT -i Hybrid (Baujahr: 2010).

Zurückgelegte Strecke: 5781,4 Kilometer.

Benzinverbrauch: 275,81 Liter.

CO2 Ausstoß: 540,89 Kilogramm (92 Gramm/ Kilometer)

Quellenverzeichnis

Békési, Sándor (2007): Verklärt und verachtet: Wahrnehmungsgeschichte einer Landschaft: der Neusiedler See, Frankfurt am Main, Deutschland: Peter Lang Gmbh, Internationaler Verlag Der Wissenschaften.

Greiner, Tamara (2023): WWF: Donau-Wasser im Neusiedler See wäre folgenschwerster Eingriff seit 100 Jahren - WWF Österreich, in: WWF Österreich, 03.10.2023 [online] https://www.wwf.at/wwf-donau-wasser-im-neusiedler-see-waere-folgenschwerster-eingriff-seit-100-jahren/ [abgerufen am 07.01.2024].

Hanger-Kopp, Susanne (2022): Seewinkel: Austrocknen ist keine Lösung, in: DER STANDARD, 18.08.2022 [online] https://www.derstandard.at/story/2000138340148/seewinkel-austrocknen-ist-keine-loesung [abgerufen am 20.11.2023].

Hydrographischer Dienst Burgenland (o. D.): Wasserportal Burgenland, [online] https://wasser.bgld.gv.at/hydrographie/die-seen/mittler-wasserstand-neusiedler-see [abgerufen am 04.01.2024].

Janisch, Christian/Lang, Alois/Watzek, Bibi (2023): Das Ende des Neusiedler Sees?: Die Region Neusiedler See in der Klimakrise. Herausforderungen. Perspektiven. Lösungen, Salzburg - Wien, Österreich: Residenz Verlag GmbH.

Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel (o. D.): Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, [online] https://www.nationalparkneusiedlersee.at/de/%C3%BCber-uns/ [abgerufen am 30.12.2023].

Sziderics, Wolfgang (2020): Dorner setzt Task Force für den Naturraum Neusiedler See ein, Land Burgenland, 29.05.2020 [online] https://www.burgenland.at/news-detail/dorner-setzt-task-force-fuer-den-naturraum-neusiedler-see-ein/ [abgerufen am 04.11.2023].